Steuerrechtliche Änderungen & Maßnahmen als Folgen der Corona-Pandemie

Steuerrecht

Das Finanzgericht Münster hat entschieden, dass die Corona-Soforthilfe als zweckgebundene Forderung nicht übertragbar und deshalb auch nicht pfändbar ist.

Das FG Münster hat entschieden, dass die Corona-Soforthilfe als zweckgebundene Forderung nicht übertragbar und deshalb auch nicht pfändbar ist.
  

Im Streitfall betreibt der Antragsteller einen Hausmeisterservice. Bei einer Sparkasse unterhält er ein Pfändungsschutzkonto. Das Finanzamt erließ für dieses Konto eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung über 9.075,50 EUR insbesondere wegen rückständiger Umsatzsteuer. Die Sparkasse teilte im Wege der Drittschuldnererklärung mit, dass das Konto kein pfändbares Guthaben ausweise, da teils vorrangige Pfändungen bestünden und zudem 9.000,00 EUR aus dem Bundesprogramm zur Soforthilfe für Kleinunternehmen im Zusammenhang mit Covid-19 stammen würden. Nach den Förderbedingungen des Bundes seien diese Beträge pfändungsfrei.
Das Finanzamt lehnte die Freigabe des Kontos gleichwohl nach Antrag ab. Im Wege der einstweiligen Anordnung wandte sich der Antragsteller an das Finanzgericht mit dem Ziel, die Freigabe des Kontos bei der Sparkasse zu erlangen.

Das Finanzgericht Münster gab dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung statt. Es entschied, dass hier der Erlass einer solchen Anordnung erforderlich sei, um wesentliche Nachteile vom Antragsteller abzuwenden. Ein solcher wesentlicher Nachteil sei in der Einziehung der Corona-Soforthilfe zu sehen. Die Corona-Soforthilfe unterliegt entgegen der Ansicht der Finanzverwaltung nicht der Pfändung, da es sich um eine nicht übertragbare Forderung handelt. Bei einer solchen besteht nach § 851 ZPO ein Pfändungsverbot. Es handelt sich bei der Corona-Soforthilfe nämlich um einen zweckgebundenen Zuschuss, der die finanzielle Notlage der Betroffenen abmildern soll.

Die Entscheidung des FG Münster, das bereits in Beschlüssen (Beschluss v. 29.5.2020, 11 V 1496/20 AO und Beschluss v. 13.5.2020, 1 V 1286/20 AO) ähnlich entschieden hatte, ist in vollem Umfang gutzuheißen. Nach § 851 Abs. 1 ZPO ist eine Forderung in Ermangelung besonderer Vorschriften nur insofern pfändbar, als sie auch übertragbar ist. Ausgeschlossen ist deshalb die Pfändung einer zweckgebundenen Forderung (vgl. Herget, in Zöller, ZPO, § 851 ZPO Rz. 33, 3. Aufl. 2020).

Bei der Corona-Soforthilfe liegt es auf der Hand, dass diese ausgezahlt wurde, um die wirtschaftlichen Probleme, die aus der Pandemie resultieren, abzumildern. Dieser Zweck kann nicht erreicht werden, wenn die Finanzverwaltung die Forderung für Umsatzsteuerschulden pfändet.

FG Münster, Beschluss v. 8.6.2020, 11 V 1541/20 AO

Umsatzsteuersenkung als Folge der Corona-Pandemie?

Die Bundesregierung hat den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaß-nahmen zur Bewältigung der Corona-Krise vorgelegt. Dieser sieht u. a. vor, vom 1. Juli 2020 bis zum 31. Dezember 2020 sowohl den regulären Umsatzsteuersatz von 19 auf 16 Prozent als auch den er-mäßigten Umsatzsteuersatz von 7 auf 5 Prozent zu senken. In der FAQ-Liste finden Sie Antworten auf wichtige Fragen zur Änderung der Umsatzsteuersätze und der Umsatzsteuersenkung.

Erfolgt die Umsatzsteuersenkung zeitlich befristet?

Die Befristung, der Umsatzsteuerabsenkung auf ein halbes Jahr ist nötig, um jetzt schnelle Kaufanreize zu setzen, denn das Ziel ist schließlich, einen konjunkturellen Impuls zu erreichen. Mit Inkrafttreten der schrittweisen Lockerungen ist der Zeitpunkt für diesen kräftigen Nachfrageimpuls nun klug gewählt. Neben den Bürgerinnen und Bürgern wird damit auch Unternehmen aller Branchen geholfen, von der Gastronomie bis zur Automobilwirtschaft, da sie durch die Umsatzsteuersenkung von zusätzlichen Einkäufen profitieren. Im zweiten Halbjahr 2020 wird diese Umsatzsteuersenkung insbesondere auch für große Anschaffungen einen zusätzlichen Kaufanreiz setzen. Die konjunkturelle Wirkung wird durch Vorzieheffekte beim Konsum verstärkt, für die eine Befristung nötig ist. Für 2021 rechnet die Bundesregierung mit einer einsetzenden Belebung der Wirtschaft, die den Schwung des Konjunkturpaketes weitertragen wird.

Welcher Stichtag gilt für die Berechnung der Umsatzsteuer?

Entscheidend ist in der Regel, wann eine Ware geliefert oder eine Dienstleistung vollständig erbracht ist. Der Umsatzsteuersatz, der zu diesem Zeitpunkt gilt, ist anzuwenden.

Was ist mit Handwerkerleistungen, die über einen längeren Zeitraum anfallen?

Auf Handwerkerleistungen, die in der Zeit vom 1. Juli 2020 bis zum 31. Dezember 2020 beendet wer-den, sind grundsätzlich die neuen Umsatzsteuersätze anzuwenden.

Was ist mit Waren mit längeren Lieferfristen? Was bedeutet die Umsatzsteuersenkung für Waren, die ich schon bestellt, aber noch nicht erhalten habe?

Beim Kauf von Waren ist entscheidend, wann Sie diese erhalten. Erfolgt die Lieferung in der Zeit vom 1. Juli 2020 bis zum 31. Dezember 2020, sind die neuen Umsatzsteuersätze anzuwenden. Allerdings folgt hieraus nicht zwangsläufig, dass Sie nur einen geringeren Kaufpreis zu bezahlen brauchen. Dies ist vom Vertrag und den darin mit dem Verkäufer getroffenen Vereinbarungen abhängig.

Was bedeutet die Umsatzsteuersenkung für laufenden Verträgen wie, beispielsweise Strom, Gas, Wärme, Wasser oder Telefon?

Bei Strom, Gas, Wärme oder Wasser ist in der Regel entscheidend, wann die Ablesung erfolgt. Der dann geltende Umsatzsteuersatz ist für den gesamten Abrechnungszeitraum anzuwenden. Die Ver-sorgungsunternehmen können aber auch, Zeiträume vor dem 1. Juli 2020 und Zeiträume im zweiten Halbjahr getrennt abrechnen. Für Zeiträume vor dem 1. Juli 2020 gilt dann der alte Umsatzsteuersatz, für Zeiten im zweiten Halbjahr 2020 der neue Umsatzsteuersatz.

Beim Telefon ist das Ende des Rechnungszeitraums entscheidend. Wird das Telefon beispielsweise vom 15. Juni 2020 bis zum 14. Juli 2020 abgerechnet, gilt der neue Umsatzsteuersatz von 16 Prozent.

Vertragsrecht: Müssen jetzt alle längerfristigen Verträge neu geschrieben werden?

Gibt der Unternehmer die Umsatzsteuerabsenkung an seine Kunden weiter, genügt es, in einem weite-ren Dokument die neuen Angaben unter Bezugnahme auf den Vertrag schriftlich festzuhalten.
 

Was ist bei Anzahlungen zu beachten?

Entscheidend ist grundsätzlich, wann eine Ware geliefert oder eine Dienstleistung vollständig er-bracht ist. Ob eine Anzahlung erfolgt ist, ist für die Höhe der Umsatzsteuer nicht entscheidend.

Was gilt für Bestellungen im Ausland?

Für Bestellungen bei Unternehmen innerhalb der EU gelten die gleichen Regelungen wie bei Bestel-lungen im Inland.

Kein Vollstreckungsschutz bei einem bereits vor der Corona-Pandemie beantragten Insolvenzverfahren

Das Hessische Finanzgericht hat entschieden, dass das Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zur Begrenzung der Organhaftung bei einer durch die COVID-19-Pandemie bedingten Insolvenz (CoVInsAG) i.V.m. dem BMF-Schreiben vom 19.03.2020 S 0336/19/10007:002 auf aktuell drohende Insolvenzreife abzielt und daher keinen Anspruch darauf begründet, dass bereits bestehende und fortwirkende Maßnahmen aufgehoben werden (FG Kassel, Beschl. v. 08.06.2020 – 12 V 643/20).

Kontenpfändung durch Finanzamt - einzelfallabhängig - wegen Corona unbillig

Das Finanzgericht Düsseldorf ist der Auffassung, dass eine durch das Finanzamt angestrengte Kontenpfändung aufgrund der durch die Corona-Pandemie ausgelösten Folgen unbillig und damit einstweilen zu unterlassen ist (FG Düsseldorf, Beschluss vom 29.05.2020 - 9 V 754/20 AE). In den Entscheidungsgründen heißt es:

Der Anordnungsanspruch der Antragsteller ergibt sich aus § 258 AO. Nach § 258 AO kann die Finanzbehörde als Vollstreckungsbehörde die Vollstreckung einstweilen einstellen oder beschränken oder eine Vollstreckungsmaßnahme aufheben, soweit die Vollstreckung im Einzelfall unbillig ist. Dabei ist nach der Rechtsprechung des BFH eine Unbilligkeit im Sinne von § 258 AO anzunehmen, wenn die Vollstreckung oder einzelne Vollstreckungsmaßnahmen dem Vollstreckungsschuldner einen unangemessenen Nachteil bringen würde, der durch kurzfristiges Zuwarten oder durch eine andere Vollstreckungsmaßnahme vermieden werden könnte (vgl. BFH-Beschluss vom 18.11.2010 XI B 56/10, BFH/NV 2011, 199; Beschluss vom 21.04.2009 I B 178/08, BFH/NV 2009, 1596). Das der Finanzbehörde durch § 258 AO eingeräumte Ermessen ist entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und muss die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einhalten (§ 5 AO).

Die Vollstreckung in die Bankguthaben der Antragsteller ist angesichts der derzeitigen Situation unter besonderer Berücksichtigung der durch die Corona-Pandemie erwirkten Einschränkungen für die Antragsteller unbillig.

Die Unangemessenheit der Nachteile für die Antragsteller ergibt sich dabei nicht aus der Ausbringung der Zwangsvollstreckungsmaßnahmen an sich, denn Nachteile sind diesen innewohnend und daher nicht für sich unangemessen.
Durch die Pfändungs- und Überweisungsverfügungen in der derzeitigen Situation ergeben sich jedoch Nachteile besonderer Art, die sie unangemessen und damit unbillig werden lassen. Sie bewirken nämlich eine besondere Doppelbelastung für die Antragsteller. Denn die Pfandverstrickung und das ausgesprochene Verfügungsverbot führen zu einem faktischen Liquiditätsentzug in Höhe der gepfändeten Bankguthaben und haben zur Folge, dass die Antragsteller ihren Lebensunterhalt und die zur Bewirtschaftung der Vermietungsobjekte notwendigen finanziellen Mittel, darunter auch die Zahlung von Finanzierungszinsen, soweit vorhanden aus anderweitigen Quellen bestreiten müssten. Die zu anderer Zeit regelmäßigen Mietzahlungen, die eine stetige Liquidität sicherstellen können, fallen angesichts der derzeitigen wirtschaftlichen Situation aus, weil sich die Antragsteller Mieteinbehaltungen unter anderem für April 2020 und gegebenenfalls darüber hinaus ausgesetzt sehen, zugleich aber daran gehindert sind, die ihnen sonst bei Nichtzahlung von Mieten zustehenden Kündigungsrechte geltend zu machen. So sieht Art. 5 § 2 des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht zwar vor, dass die Mietverpflichtungen den Zeitraum April 2020 bis Juni 2020 weiterhin fällig bleiben und auch Verzugszinsen entstehen können.
Auch müssen die rückständigen Mieten aus dem Zeitraum vom 01.04.2020 bis 30.06.2020 bis zum 30.06.2022 beglichen werden. Für den Moment führt dieser vorübergehende Mieterschutz indes zu Benachteiligungen für Vermieter wie die Antragsteller, die Liquiditätseinbußen zu tragen haben und umso mehr auf vorhandene Liquidität angewiesen sind, denen aber durch Kontopfändungen gerade Liquidität entzogen wird.

Das dem Finanzamt in § 258 AO grundsätzlich eingeräumte Ermessen wird durch Ziff. 3 des BMF-Schreibens vom 19.03.2020 in einer die Verwaltung selbstbindender Weise dahin gelenkt, dass bei nicht nur unerheblich betroffenen Steuerpflichtigen, zu denen die Antragsteller gehören, von der Vollstreckung fälliger Steuerforderungen abgesehen werden soll. Dies begründet für die Antragsteller über Art. 3 Abs. 1 GG einen auch vom Senat zu beachtenden Anspruch auf Aufhebung der Vollstreckungsmaßnahmen.

§ 258 AO sieht die Einstellung oder Beschränkung der Vollstreckung sowie die Aufhebung einer Vollstreckungsmaßnahme vor, die bei Unbilligkeit im Einzelfall von der Vollstreckungsbehörde angeordnet werden kann. Durch die Verlautbarung in Ziff. 3 des BMF-Schreibens vom 19.03.2020 wird dieses grundsätzlich eingeräumte Ermessen („kann“) dahingehend eingeschränkt, als dass das Bundesfinanzministerium und die obersten Finanzbehörden der Länder hiermit die regelmäßig bestehende Bandbreite der Ermessensausübung der einzelnen Finanzbehörde jedenfalls bis zum 31.12.2020 einengen und vorgeben, dass der Regelfall der Ermessensausübung nunmehr die Nichtdurchführung von Vollstreckungsmaßnahmen ist. Durch den hiermit neu gesetzten Regelfall der Ermessensausübung soll in Anbetracht der wirtschaftlichen Belastungen durch die Corona-Pandemie nunmehr das Absehen von der Durchführung von Vollstreckungsmaßnahmen das regelmäßige Ergebnis der Ermessensausübung sein. Denn anders als in § 258 AO vorgegeben, wonach eine Vollstreckungsmaßnahme eingestellt, beschränkt oder aufgehoben werden kann, weist das BMF-Schreiben nunmehr gerade an, dass von Vollstreckungsmaßnahmen abgesehen werden „soll“.

Vertragsrecht: Wirtschaftliche Folgen der Corona-Pandemie

Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie treffen viele Unternehmen unvorbereitet, beinahe täglich werden neue Gewinnwarnungen veröffentlicht. Es stellen sich teilweise noch nie dagewesene oder als relevant empfundene rechtliche Fragen im Bereich des Vertragsrechts, wenn Veranstaltungen von Vertragspartnern abgesagt, Zahlungen oder andere Leistungen nicht erhalten werden oder selbst nicht mehr erbracht werden können.

Wenn ein Vertrag geschlossen wurde, dessen beiderseitige Erfüllung durch das Corona-Virus gefährdet oder ganz unmöglich geworden ist, stellen sich folgende Fragen:

Bis wann ist ein Festhalten am ursprünglich geschlossenen Vertrag für beide Seiten noch zumutbar und ab wann muss der Vertrag ggf. angepasst werden?

In welchen Fällen ist sogar eine Anpassung des Vertrages unzumutbar, sodass ein Rücktritt- oder Kündigungsrecht in Betracht kommt?

Bei der juristischen Konstruktion der „Störung der Geschäftsgrundlage“ geht es darum, in Ausnahmesituationen Vertragsanpassungen oder -aufhebungen zu ermöglichen, um die Interessen der Vertragspartner bestmöglich zu wahren. Dies kommt allerdings nur bei erheblichen Änderungen der Umstände in Betracht. Bisher wurde der in § 313 BGB geregelte Wegfall der Geschäftsgrundlage von Gerichten nur sehr restriktiv angewandt. Zur Geschäftsgrundlage zählen sämtliche Umstände, die von den Vertragsparteien zur Grundlage des geschlossenen Vertrags gemacht wurden, d.h. insbesondere solche, welche die Vertragspartner als sinnvoll erachtet haben und die bei Abschluss des Vertrages zutage getretenen Umstände, die dem jeweils anderen Teil erkennbar waren und die nach dem eindeutigen Willen einer oder beider Parteien zur Grundlage des Vertrages gemacht wurden.

Grundlegende Änderungen der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Ordnung können die Geschäftsgrundlage allerdings elementar stören und beide Vertragsparteien gleichermaßen betreffen, sodass das Festhalten am Vertrag in seiner ursprünglichen Form keinen Sinn mehr macht. Hat sich die Geschäftsgrundlage so geändert, dass der Vertrag zu den vereinbarten Bedingungen nur einer Partei nicht zugemutet werden kann, hat diese einen Anspruch gegen ihren Vertragspartner auf Anpassung. Erst wenn auch dies unmöglich oder einer Partei unzumutbar ist, kann die benachteiligte Partei vom Vertrag zurücktreten oder im Falle von Dauerschuldverhältnissen kündigen. Worin die Geschäftsgrundlage eines Vertrages besteht, ob diese womöglich gestört oder weggefallen ist und welche Handlungsoptionen sich daraus für die Vertragspartner ergeben, lässt sich nur in jedem Einzelfall durch Vertragsauslegung ermitteln.

Ob aufgrund des Coronavirus die Geschäftsgrundlage eines Vertrages gestört ist, muss im Einzelfall geklärt werden. Das Coronavirus wird vielfach als „höhere Gewalt“ bezeichnet. Nach der Rechtsprechung der deutschen Gerichte handelt es sich bei höherer Gewalt grundsätzlich um ein Ereignis, das von außen kommt, keinen betrieblichen Zusammenhang aufweist und auch durch die äußerste vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht abwendbar ist. Epidemien und Seuchen können prinzipiell als höhere Gewalt angesehen werden.

Während im Falle des Wegfallens der Geschäftsgrundlage, soweit keine zumutbare Vertragsanpassung möglich ist, die sanktionslose Vertragsbeendigung folgt, muss der Schuldner im Falle der sog. Unmöglichkeit beweisen, dass er die Nichtleistung nicht selbst zu vertreten hat, da er sich ansonsten schadensersatzpflichtig macht. Dies wird insbesondere bei der Störung des Verwendungszweckes relevant, wenn zwar kein behördliches Verbot vorliegt, aber dennoch vorsorglich vertraglich zugesicherte Leistungen nicht erbracht werden.

Die Geschäftsgrundlage kann etwa durch staatliche Eingriffe, wie virusbedingte Verbote von Events oder des Exports bestimmter Güter, geändert werden. Sind behördliche Anordnungen wegen des Coronavirus der Grund für Leistungshindernisse, ist dies in der rechtlichen Prüfung mit einzubeziehen. Es macht nicht selten einen Unterschied, aus welchem Grund eine Leistung nicht erbracht werden kann, darf oder vorsorglich nicht erbracht wird.

Trotz des Ausnahmezustandes durch Corona häufig bestehenden existenzbedrohenden Situationen, sollte nicht vorschnell gekündigt oder der Vertrag einseitig nicht erfüllt werden, sondern das Vertragsverhältnis einer genauen Prüfung auf ein etwaiges Vorliegen einer Störung der Geschäftsgrundlage geprüft werden.

Vertragsrecht: Flugreise

Hat eine Fluggesellschaft den Flug gestrichen, so ist die Fluggesellschaft nicht berechtigt, dem Flugreisendem unter Verweis auf die Corona-Pandemie nur einen Gutschein anzubieten.

Die Fluggesellschaft ist verpflichtet, dem Passagier den Ticketpreis zu erstatten. Dieser Anspruch des Fluggastes ergibt sich direkt aus der Fluggastrechteverordnung.

Da die Fluggesellschaft im gerichtlichen Verfahren auf ganzer Linie scheiterte, musste diese auch die Verfahrenskosten tragen.

AG Nürtingen, 09.06.2020 - Az: 10 C 1810/20

Vertragsrecht: Reiserücktritt

Das Gericht geht nach vorläufiger Rechtsauffassung davon aus, dass die Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung der restlichen Hauptforderung in Höhe von 227,10 € haben. Dies beruht darauf, dass die Stornierung der Reise und damit der Reiserücktritt am 13.03.2020 nach Ansicht des Gerichts unter die Regelung des § 651 h Abs. 3 BGB fällt.

Der Reiseveranstalter kann gemäß § 651 h Abs. 1 BGB zwar grundsätzlich eine angemessene Entschädigung verlangen, wenn der Reisende vor Reisebeginn vom Vertrag zurücktritt.

Dies gilt gem. § 651 h Abs. 3 BGB jedoch nicht, wenn am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen.

Das Gericht sieht die Voraussetzungen bei der Stornierung der Kläger am 13.03.2020, also einen Monat vor Reisebeginn, aufgrund der herrschenden Corona-Pandemie als gegeben an.

Die Beklagte war in Verzug. Einer Mahnung war aus kalendermäßiger Bestimmbarkeit und damit aus § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB entbehrlich: Der Reiserücktritt ist das der Rückzahlung vorausgehende Ereignis, und die als angemessen bestimmte Zeit ergibt sich aus dem Gesetz.

Eine solche Fristbestimmung ist nicht allein den Parteien vorbehalten, sondern kann auch durch eine gesetzliche Bestimmung erfolgen, hier aus § 651 h Abs. 5 BGB. Fehlende oder in Frage gestellte eigene Zahlungsfähigkeit stellt keinen Entschuldigungsgrund dar. Insofern sind Zinsen auf die Hauptforderung ohne Weiteres geschuldet.

AG München, 02.07.2020 - Az: 242 C 6487/20

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Rechtsanwalt Dr. Peter Ambos


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